Eine Übersicht über die verschiedenen Schutzstufen SK1-SK4, wie sie ermittelt werden und was Ihr sonst noch über ballistische Schutzwesten und Helme wissen müsst gibt es hier.
1. Schutzweste Allgemein
2. Schutzklassen
3. Arten von Schutzwesten
4. Internationale Standards
5. Unterschiede deutsche /amerikanische Schutzklassen
6. Prüfung Durchschusshemmung / Stichschutz
7. Schutzwesten der Bundeswehr
8. Weichballistik
9. Hartballistik
10. Der Gefechtshelm Allgemein
11. Merkmale Moderner Ballistischer Schutzhelme
12. Aktuelle Internationale Entwicklungen
13. Gefechtshelme in der Bundeswehr
14. Bekannte Hersteller und Produkte
1. DIE SCHUTZWESTE
„Eine Schutzweste soll den Träger vor Geschosseinwirkungen (ballistischer Schutz), sonstigen mechanischen Einwirkungen und ggf. gegen Angriffe mit Messern (Stichschutz) schützen. Sie soll nicht nur das Durchdringen des Geschosses verhindern, sondern auch schwere Verletzungen vermeiden, die durch den Impuls des gestoppten Geschosses auf den Körper entstehen kann.“ (Quelle: Technische Richtlinie der deutschen Polizei)
Trifft ein Geschoss auf eine beschusshemmende Weste, so wird die kinetische Energie des Geschosses aufgenommen und auf eine möglichst große Fläche verteilt. Das Geschoss selbst verbleibt im Westenkörper und der Impuls wird an den Träger der Schutzweste weitergeleitet. Beides führt zu einem stumpfen Trauma
Somit machen Schutzwesten keinesfalls "kugelsicher", sondern schützen den Träger bis zum angegebenen Schutzgrad vor der tödlichen Wirkung von Geschossen.
2. Schutzklassen
SK L
Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Pistolen im Kaliber 9 mm x 19
SK 1
Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse und Polizeigeschosse, verschossen aus Kurzwaffen (einschließlich Maschinenpistolen) im Kaliber 9 mm x 19
SK 2
Durchschusshemmend gegen Vollgeschosse (z.B. aus Kupfer oder Messing) oder Eisenkerngeschosse, verschossen aus Kurzwaffen, einschließlich Maschinenpistolen
SK 3
Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Langwaffen
SK 4
Durchschusshemmend gegen Hartkerngeschosse, verschossen aus Langwaffen
3. Arten von Schutzwesten
SK L ST
Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Pistolen im Kaliber 9 mm x 19 und stichhemmend gegen Angriffe mit Messern (Klinge)
SK 1 ST
Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse und Polizeigeschosse, verschossen aus Kurzwaffen (einschließlich Maschinenpistole) im Kaliber 9 mm x 19 und stichhemmend gegen Angriffe mit Messern (Klinge)
SK 2,3,4
Durchschusshemmend entsprechend der o.a. Schutzklassen und weitgehend stichhemmend gegen Angriffe mit Messern (Klinge) und spitzen Gegenständen (z.B. Nadeln und Kanülen) aufgrund des harten Schutzanteils.
Die Beschaffung erfolgt in den folgenden Versionen:
Unterziehschutzweste, die verdeckt, d.h. unter der Kleidung zu tragen ist
Überziehschutzweste, die über der Kleidung zu tragen ist
Bei der Unterziehschutzweste wird ein wesentlich größerer Traumawert als bei der Überziehschutzweste toleriert.
4. Welche internationalen Standards für den Schutz gegen Projektile gibt es?
Technische Richtlinie (TR) der deutschen Polizei mit ihren Schutzklassen SK1 bis SK4,
NIJ-I bis NIJ-IV vom amerikanischen National Institute of Justice
die englischen Normen des CAST (Center of Applied Science and Technlogy) HG1, HG1a, HG2, HG3, RF1, RF2, SG1
die Prüfrichtlinie nach VPAM (Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen), welche u.a. in den Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien und Norwegen Anwendung findet
für den Stichschutz gibt es u.a. die deutsche Stichschutznorm, die Standards KR1 bis KR3 nach CAST, die Level 1-3 nach NIJ, sowie die Klassen K1 bis K4 nach VPAM
5. Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Schutzklassen?
Die Testmethode,
die unterschiedliche Einteilung in Schutzklassen
die unterschiedlichen Geschosse, die verwendet werden
Anders als bei der US-Richtlinie verlangt die Deutsche Richtlinie einen sogenannten "aufgesetzten" Beschuss, bei dem die Waffe während des Beschusses mit einer Kraft von 100 Nm auf die Probe angepresst wird. Des Weiteren erfolgt bei der Deutschen Richtlinie der Winkelbeschuß bei einem Winkel von 25° gegenüber 45° und 60° bei US-Test. Die in der Deutschen Richtlinie geforderten Tests mit Konditionierungen der Schutzpakete bei -20° C und +70° C sind nicht Bestandteil der NIJ-Forderung. Auch die verwendeten Geschosse sind nicht identisch. So wird zum Beispiel in den sehr gebräuchlichen Schutzklassen, die am ehesten verglichen werden (die Deutsche Schutzklasse 1 und der NIJ-Level III-A) in der Deutschen Forderung kein Beschuss mit der .44 Magnum durchgeführt. Auf der anderen Seite ist das verwendete 9 mm Geschoss nicht identisch. Die in der Deutschen TR vorgeschriebene DM41SR ist aufgrund des Stahlmantels durchaus aggressiver als die im NIJ verwendete 9 mm Patrone.
Ähnlich markant ist auch der Unterschied bei der Schutzklasse 4 im Vergleich zum Level IV des NIJ. Während der Schutzeinschub nach Deutscher Richtlinie einem Test mit 3 Schuss ausgesetzt wird, erfordert die US-Norm nur einen einzelnen Schuss. Auch hier verhalten sich die verwendeten Geschosse unterschiedlich.
6. Wann ist eine Prüfung nicht bestanden?
Die Prüfung der Durchschusshemmung ist nicht bestanden, wenn:
ein glatter Durchschuss erfolgte,
das steckengebliebene Geschoss von der dem Körper zugewandten Seite des Prüfobjektes zu sehen ist,
Teile des Prüfobjektes (z.B. Metallsplitter) im Plastilin zu finden sind,
der Mittelwert aus den bei einer Prüfung (z.B. Temperaturtest) gemessenen Eindrucktiefen in Plastilin den bei der Plastizitätsmessung ermittelten Mittelwert bzw. den 2fachen Mittelwert (beim aufgesetzten Schuss der Schutzklasse 1 sowie bei der Prüfung von Unterziehschutzwesten) überschreitet
Die Stichprüfung ist nicht bestanden, wenn:
die Prüfklinge tiefer als 20 mm in das Plastilin eindringt,
die Summe der Werte für Ausbeutung und Eindringtiefe 40 mm gegenüber der ursprünglichen Oberfläche überschritten wird
Teile des Prüfobjektes (z.B. Metallsplitter) im Plastilin zu finden sind
7. Verwendete Schutzwesten der Bundeswehr
Schutzweste Standard (ST),
Spezialkräfte (SK) und
Infanterie (IdZ-ES)
des dt. Herstellers Mehler Vario Systems
Schutzweste Feldjäger
der GARANT Sicherheitstechnik AG
8. Weichballistik
Wirkungsprinzip: die Geschossenergie wird teilweise absorbiert, indem das Projektil die einzelnen Schichten in Bewegung versetzt und die Fasern sich dehnen; nun formt das Projektil auf der dem Körper zugewandten Seite des reißfesten Gewebes eine Ausbuchtung, bis sich Projektil und getroffenes Körpergewebe mit gleicher Geschwindigkeit bewegen
mehrschichtige Netz- oder Folienstruktur aus reißfestem Gewebe
zumeist Aramidfasern wie Kevlar oder Twaron; ggf. auch Zylon oder Dyneema
natürlicher Alterungsprozess, UV-Licht und Feuchtigkeit führen zum Verlust der extrem reißfesten Eigenschaften der Kunststoffe
bietet Schutz gegen Kurzwaffengeschosse
9. Hartballistik
Wirkungsprinzip: das Geschoss trifft auf eine Platte aus hartem Material, die kinetische Energie wird von der Platte aufgenommen und führt zu Verformungen
Oxidkeramik- oder Polyethylenplatten, früher: ballistischer Stahl
es lassen sich je nach Materialstärke (oft im Schichtprinzip verschiedener Materialien) alle Arten von Geschossen stoppen
eine volle Schutzwirkung wird oft nur in Kombination mit weichballistischen Schutzpaketen erreicht
Standardgröße des US-Militär: 10 Zoll x 12 Zoll (25,4 cm x 30,5 cm) mit abgeschrägten oberen Ecken = (E)SAPI-Plates (Small Arms Protective Insert)
10. DER GEFECHTSHELM
Mitten im 1. Weltkrieg:
Schwere Kopfverletzungen durch Granatsplitter und Schrapnells
Geburtsstunde des "Stahlschutzhelm Modell 1916"
aus einer Stahlplatte in 6 Arbeitsschritten hergestellt
ausgeprägter Stirn- und Nackenschutz
"(...) die Zahl der Verwundungen im Kopf- und Nackenbereich steigt seit dem 20. Jahrhundert stetig. Derzeit machen sie zwischen 20 und 39 Prozent der Verwundungen insgesamt aus." (Jan-Philipp Weisswange: Schutz für die "Haupt"-Waffe - Moderne
11. Merkmale Moderner Ballistischer Schutzhelme
Schutz
Beeinflussung der Schutzwirkung durch Materialwahl und -stärke, Design, Innenausstattung einschließlich der Bebänderung
Schutz vor Stürzen, Schlägen und Stößen
Erhöhung der Schutzwirkung und -fläche durch ggf. zurüstbare Elemente
Kombinationsmöglichkeit mit anderen Schutzelementen wie Augen-, Gehör- und Atemschutz
Tarnschutz durch farbige Beschichtung der Kalotte, Tarnüberzüge oder natürlichem Tarnmaterial oder Bemalung
Gefechtshelme)
Schnittstellen
Sprechfunk, Nachtsichttechnik, Kameras, Leuchten, ggf. Gegengewichte
für Nachtsichttechnik gibt es inzwischen standardisierte Schnittstellen, beispielsweise aus dem Hause Wilcox
bei vielen Modellen ist eine Anbringung seitlicher MIL-STD 1913-Schienen möglich
Tragekomfort
moderne Helmmodelle verfügen über eine Vielzahl an individueller Anpassungsmöglichkeiten
einklettbare Polsterungen (Pads), NOSHA Netzgestell der Bundeswehr-Gefechtshelme
der Nutzer muss den Helm über lange Zeit ermüdungsfrei tragen und auch dynamische Einsätze durchführen können
Der Gefechtshelm dient bei weitem nicht nur als Schutz des Kopfes vor stumpfen Schlägen, Splittern, Schrapnells, Beschuss und anderen Bedrohungen, sondern als modulare Schnittstelle zu weiterer Ausstattung (Nachtsicht- und Kommunikationstechnik, Schutzelemente).
12. Aktuelle Internationale Entwicklungen
der seit den 1980er Jahren in Erscheinung getretene und seither das Erscheinungsbild moderner Streitkräfte prägende US-Helm „Fritz Hat“ des Personal Armor System Ground Troops (PASGT) wird abgelöst
neue Designs und Materialien – vor allem hochfeste Polyethylene – finden Verbreitung
seit Mitte der 2000er Jahre lassen sich Helme mit einem Sprechsatz oder aktivem Kapselgehörschutz tragen
so entstandenen neben der klassischen Low-Cut-Kalotte vermehrt Mid-Cut und High-Cut-Kalotten, um dank verkürztem Rand oder Aussparungen Platz für den Kapselgehörschutz zu schaffen
die US-Streitkräfte stellten auf das Modell MICH (Modular Integrated Communications Helmet) bzw. ACH (Advanced Combat Helmet) um; zusätzliche Einführung des Polyethylen-Modells ECH (Enhanced Combat Helmet)
weitverbreitet sind die FAST (Future Assault Shell Technology) Helme des US-Herstellers Ops-Core
die wesentlich leichteren FAST-Helme bestehen nicht mehr aus Aramid, sondern aus Polyethylen aus dem Hause Dyneema
seit Ende 2011 gehören die weltweit sehr weitverbreiteten FAST-Modelle in Norwegen zur querschnittlichen Ausrüstung
in Deutschland vertreibt Hexonia die Ops-Core-Helme mit modularen Erweiterungen, beispielsweise mit einer aufsetzbaren Panzerungsplatte
Das Gefechtshelmsystem SpezKr: neueste ballistische Materialien, ergonomische Inneneinrichtung, geringes Gewicht, hoher ballistischer Schutz und Tragekomfort, individuelle Anpassung dank verschiedener Pads und verstellbarer Bebänderung
13. Gefechtshelme in der Bundeswehr
seit den 1990er Jahren wurde der an das amerikanische M1-Design angelehnte Stahlhelm durch den „Gefechtshelm, Bodentruppen“ ersetzt
es handelt sich um einen Aramid-Helm mit NOSHA-Innenausstattung und klassischer Kalotte
zum Rüstsatz des Infanteristen der Zukunft – Erweitertes System zählt der FAST-Helm
der FAST-Helm war die Basis für das jüngst von Hexonia an die Bundeswehr gelieferte „Gefechtshelmsystem SpezKr“
modulares System aus insgesamt 25 Artikeln, zum Satz gehört der Gefechtshelm und ein leichter, als „Geräteträger“ dienender Helm für Anwendungen (kein ballistischer Schutz)
verschiedene Anbauteile: adaptiver ballistischer Schutz für Gesicht und Seiten, Schnittstellen für Kameras/Lampen/Nachtsichtgeräte/Kapselgehörschutz, verschiedene Tarnüberzüge, Gegengewichte, Zubehörtaschen
14. Bekannte Hersteller und Produkte
3M / Schuberth
3M Combat II:
wurde bei den US-Streitkräften bereits als ECH eingeführt
besteht aus Polyethylen-Werkstoff (Ultra High Molecular Weight Polyethylen, UHMWPE)
bietet erstmalig Schutz gegen ausgewählte Langwaffenkaliber
hat sich im Einsatz bereits gegen Beschuss aus dem AK-47 bewährt
3M ULW-BBH:
besteht aus UHMWPE, orientiert sich von den Größen her am ECH
höher ausgeschnittene Kalotte, verschraubungsfreie Konstruktion
besonders geringes Gewicht
eignet sich zum Fallschirmsprungdienst
schützt vor Stößen, Schlägen, Splittern, NIJIIIA
ARMORSOURCE
war maßgeblich an der Entwicklung des ACH-Konzeptes beteiligt
gemäß der VPAM BW-TL geprüfte und zertifizierte Helme AS 505 (LW-ACH), AS 501, AS 600
alle Helme gemäß EN 397 geprüft und zertifiziert
AS 600:
besitzt zusätzlich eine zertifizierte Beschusshemmung gegen 7.62 x 51 mm M80 (bei ca. 680 m/s) und gegen 7.62 x 39 mm Weichkerngeschosse bei einer Distanz von 10 Metern, sowie eine Zertifizierung gemäß VPAM3 im Sinne der polizeilichen TL aus Mellrichstadt
intensive Testreihe mit der Armasuisse und der Schweizer Armee
Quellen
NIJ-Portal Body Armor http://www.ojp.usdoj.gov/nij/topics/technology/body-armor/welcome.htm
Technische Richtlinie „Ballistische Schutzwesten“ http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Regelungen/Schutzweste/SchutzwesteTR_03-08_Revisionen-10-08_09-09.pdf
Mehler VarioSystems: http://www.m-v-s.de/pdf/Schutzklassen_Deutsch_Ref_SW051021.pdf
Dragon Skin® von Pinnacle Armor: http://www.pinnaclearmor.com/body-armor/dragon-skin.php
Lisa Myers report: http://dailynightly.msnbc.com/2007/05/army_responds_t.html
PTIOnline: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Schutzausstattung/Stichschutz_97.html
PTIOnline: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Regelungen/Koerperschutz12-95.pdf.html
Stephan Restle: Ballistische Schutzwesten und Stichschutzoptionen. Kabinett Verlag, Bischofszell 1997, ISBN 3-906572-03-X.
Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen (VPAM) (Hrsg.): Prüfrichtlinie „Stich- und Schlagschutz“. Stand: 18. Mai 2011
TL-Suchmaske des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung TL.-Nr. 8470
Homepage von Mehler Vario Systems mit Datenblättern einiger beschriebener Schutzwesten
Homepage von GARANT Sicherheitstechnik AG, dem Hersteller der Schutzweste Feldjäger
Dr. sc. forens., Dipl.-Math. Beat P. Kneubuehl: Ballistischer Schutz, Juni 2000, überarbeitet März 2003
Jan-Phillipp Weisswange: Schutz für die "Haupt"-Waffe - Moderne Gefechtshelme
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